Einigen Wirbel machte gestern eine Ankündigung, die EU-Kommissarin Neelie Kroes wolle mit dem ex-Verteidigungsminister Karl Theodor von und zu Guttenberg eine Initiative für Netzfreiheit, für Internetdissidenten aus der Taufe heben. Gemeinsame Ankündigung am Montag. Schon jubelte das Nachrichtenmagazin Fokus vom Job bei der EU für den gefallenen Politstar. Auf der Agenda der Kommission steht er als Agent Lobbyist des amerikanischen Center for Strategic and International Studies (CSIS).
Als Bundesminister für Wirtschaft hatte er die Polemik der Netzgemeinde auf sich gezogen, als er für Sperrlösungen eintrat,während seine Frau sich aggressiv für Netzsperren zum Kinderschutz im Fernsehen positionierte.
Gibt es aber den fundamentalen Widerspruch, wie es die Missbrauchsopferinitiative Mogis in einem Brief an Kroes anspricht? Ich glaube nur abweichende Bewertungen. Das Eintreten für Internetfreiheit ist durchaus an die jeweilige Lage gebunden.
Wer Guttenberg vorschnell reine Selbstdarstellung unterstellt, und genau das wird am Montag in den Gazetten passieren, der übersieht wie in Amerika das Netz als wirksames Mittel zum Kampf gegen Diktaturen erkannt worden ist, und welche erstaunlichen Gelder in entsprechende Programme fliessen. US-Aussenministerin Hillary Clinton hat neulich drastisch eingestanden, dass die amerikanische Public Affairs-Infomacht im Ausland nach Ende des Kalten Krieges zu massiv reduziert wurde,- Musik in den Ohren von RIAS-Fans! Zur Zeit gibt es auf vielen Fach-Mailinglisten wie Stanford Liberationtech wieder einmal Diskussionen darüber, inwiefern man Gelder aus dem Verteidigungsapparat annehmen sollten für die Entwicklung von Verschlüsselungstechnologien und dergleichen. Auch für Amerikaner ist das eine ethische Frage. Ob unsere Digital-Kommissarin Neelie Kroes mit einer US-Verteidigungslobby eine solche europäische Initiative starten sollte, ist für mich gewichtiger als die Frage ob Guttenberg persönlich glaubwürdig im Thema ist.
Das werden die Gedanken sein bei der Kommission, nicht die ideologische Tauglichkeit des ehemaligen Verteidigungsministers. Neelie Kroes ist Pragmatikerin und bekannt dafür viel zu bewegen. Am gleiche Tag sind die Open Data Strategie und der Entwurf zur Reform der PSI-Richlinie angekündigt. Das ist für uns in Brüssel natürlich spektakulärer als die Kampagne von Guttenberg.
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