Der Gesprächskreis Netzpolitik und Gesellschaft der SPD hat einen Musterantrag vorbereitet, der zu massiver Unruhe beim “Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung” führte, einem breiten Bündnis der deutschen Zivilgesellschaft, das mit wortreicher Sachkunde und Polemik eine massive Kampagne auf nationaler Ebene führt gegen die Implementierung des europäischen Vorhabens. Die einstmals sehr technisch und exotisch klingende Thematik, das ist sein Verdienst, wurde in die breite Gesellschaft getragen.
Alvar Freude, Mitglied der Enquete-Kommission, hat eine Verteidigung des Musterantrags geschrieben. Der Kern des Musterantrags:
Die SPD setzt sich auf europäischer Ebene für eine grundlegende Überarbeitung der europäischen Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung ein. Ziel muss sein, eine differenzierte und verfassungskonforme Richtlinie zu erstellen und in deutsches Recht umzusetzen.
Der Antrag ist ausgesprochen klug formuliert und würde sinnvolle Impulse der deutschen Sozialdemokratie in der Frage der verdachtslosen Speicherung von Verbindungsdaten nach Brüssel liefern. Alvar Freude kündigte an nach der massiven Kritik nachbessern zu wollen.
Die Mitglieder des Gesprächskreises Netzpolitik der SPD sind sich einig, dass der Antrag noch einmal überarbeitet und an einigen Stellen präzisiert werden soll. Dabei werden wir auch die zum Teil berechtigte Kritik an den nicht ausreichenden Formulierungen aufgreifen.
Max Weber hat vor über 100 Jahren bereits seinen berühmten Unterschied zwischen Verantwortungs- und Gesinnungsethik herausgearbeitet, Weber polemisierte:
Sie mögen einem überzeugten gesinnungsethischen Syndikalisten noch so überzeugend darlegen: dass die Folgen seines Tuns die Steigerung der Chancen der Reaktion, gesteigerte Bedrückung seiner Klasse, Hemmung ihres Aufstiegs sein werden, – und es wird auf ihn gar keinen Eindruck machen. Wenn die Folgen einer aus reiner Gesinnung fließenden Handlung übel sind, so gilt ihm nicht der Handelnde, sondern die Welt dafür verantwortlich, die Dummheit der anderen Menschen oder – der Wille des Gottes, der sie so schuf.
In dieser anderen, ja “sozialdemokratischen” Tradition des Kompromisses argumentiert Alvar Freude gereizt:
Ich bin davon überzeugt, dass wir alle zusammen – nicht nur der AK Zensur – bei der Diskussion um Internet-Sperren in Deutschland und der EU sowie beim JMStV nur deswegen erfolgreich waren, weil Alternativen auf dem Tisch lagen. Man kann aber auch auf Extrempositionen beharren und mit wehenden Fahnen untergehen.
Kritiker aus dem Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, die politischen Mechaniken nicht zu verstehen, die zu einem Erreichen ihrer Ziele führen werden. Ohne eine wie auch immer geartete Öffnung der durch nationales Implementierungschaos in den Mitgliedstaaten gewrackten Richtlinie für eine Reform, gibt es nur die Möglichkeit des Bastelns auf nationaler Ebene mit “Quick Freeze” Placebos. Ob sich bei einer gebotenen Öffnung der Richtlinie radikalere Änderungen durchsetzen lassen, wird sich aus den realen Machtverhältnissen ergeben, wo in der Vergangenheit Mehrheiten und Bewusstsein fehlten. Die deutsche Sozialdemokratie würde bei Annahme des Antrags sich kaum als Bremser weiter reichender Schnitte auf Brüsseler Ebene erweisen, das ergibt sich aus der Stoßrichtung des Antrags.
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