Ich finde es unziemlich, wenn Leute aus Haartracht die Gesinnung einer Person ableiten wollen. Es ist auch nicht der Herr Freiherr zu Guttenberg, der zurücktreten muss, sondern es ist unsere Kanzlerin, die diesen Herrn aus dem Amt des Ministers selbstverständlich zu entfernen hat.
Der formal zwingende Grund ist seine ressortmäßige Verantwortung für die Bundeswehruniversitäten, und die dort herrschenden disziplinarrechtlichen Konsequenzen seines Handelns.
Der Mann der Tat
Der Grund meines Ärgers (und des Ärgers vieler anderer Beobachter) ist, wie realitätsverzerrend der Freiherr über den Fall kommuniziert statt sofort die notwendigen Konsequenzen aufgrund der Sachlage zu ziehen und Schaden von anderen Institutionen abzuwenden, von seinem Doktorvater, von seiner Universität, von deutschen Hochschulstandards, von seinem Amt als Verteidigungsminister, von den Mitgliedern seiner Familie, von seiner Partei, der CSU, und der Schwesterpartei CDU, nicht zuletzt Schaden von ihm selbst.
Der kommunikative Trick des Freiherrn zu Guttenbergs ist, dass jede Verteidigung und jede Kritik ihn als den Handelnden sieht. “Fehler” hat “man” begangen. Er “hat sich entschuldigt”, behauptet er selbst. Er selbst “bittet” die Universität um Rücknahme seines Doktortitels. Er “soll zurücktreten”, fordern Kritiker und Presse. Sie machen ihn damit zum Akteur seines eigenen Schicksals, als gäbe es hier einen Entscheidungsspielraum seiner Person, dem natürlich sein Verbleiben im Amt Hohn spricht.
Eine Kritik an seiner Person macht seine Person nur stärker oder sagen wir präsenter. Alle reden über seinen Namen auf allen Kanälen, in medialer Überdosis. Das ist bekannt aus der Popkultur, manchmal gibt es keine negative Publicity. Nebenbei stärkt der Twitter-Storm (#guttenberg) auch den Markenwert von “Steve Guttenberg”, einem US-Schauspieler. Der Aufschrei über des Ministers Fehlverhalten und böse Worte lassen den Angreifer unsympathisch erscheinen. Was hält man denn sonst von einem Menschen, der die Regierung als Fälscher, Lügner und Betrüger beschimpft?
Und das ist wirklich das unerträgliche für viele Beobachter, dass in weiten Teilen der Öffentlichkeit die Kommunikationsstrategie funktioniert, was zu einer weiteren Skandalierung und Polarisierung in der Öffentlichkeit führt.
Studieren wir seine Technik
Studieren wir doch folgende steile Antwort, die für die anwesenden Abgeordneten im Bundestag wie ein Hohn geklungen haben mag, aber nicht für sie bestimmt war, sondern für den unbeteiligten Dritten und Schlagworte für die Medien enthält:
Vielen Dank. – Herr Kollege Gehring, zunächst einmal, was die Signale anbelangt, die der Bundesverteidigungsminister auszusenden hat: Das sind Signale, die sich an dem Aufgabengebiet des Bundesverteidigungsministers auszurichten haben, und das sind Signale, die ich weiterhin mit dem Verantwortungsbewusstsein aussenden will, mit dem ich das bisher getan habe. Auf die Frage, was man für ein Signal in die Wissenschaftsgesellschaft sendet, wenn man eine offensichtlich sehr fehlerhafte Doktorarbeit geschrieben hat, kann ich nur sagen, dass das ein schlechtes Signal ist, das ich hier gesendet habe, und ein Signal, das als solches auch nicht aufrechterhalten werden konnte und sollte, weshalb ich die Universität Bayreuth ja darum gebeten habe, den Doktortitel zurückgeben zu können bzw. ihn zurückzunehmen. Ich habe mich aufrichtig und auch von Herzen dafür entschuldigt und wiederhole das auch noch einmal gerne hier in diesem Hohen Hause. Ich glaube, das ist das Signal, das man geben kann, wenn man Fehler gemacht hat.
Diese Kommunikationsstrategie ist perfide, aber wird auch von der Kanzlerin gestützt, wenn sie euphemistisch feststellt, die Universität Bayreuth habe der Bitte des Freiherrn entsprochen.
Prof. Lepsius (Uni Bayreut) äußert sich
Der Nachfolger seines Professors äußert sich:
http://flickrcomments.wordpress.com/2011/02/28/guttenberg-plagiarism/#comment-1296