Sandra Mamitzsch auf Carta.info:
Einige Beiträge [in den Medien] zum Netzsperren-Vorschlag von Cecilia Malmström lesen sich, als ob es die “Zensursula”-Debatte nie gegeben hätte. Dass die Diskussion um das reine Sperren der Darstellungen von Kindesmissbrauch im Internet noch einmal von Anfang an geführt werden muss, überrascht.
Auch scheinen einige Personen nun die Schablonen ihrer persönlichen Angriffe auf die deutsche Ministerin Ursula von der Leyen (“Zensursula”) auszupacken und ihre Kampagne auf die sympathische EU-Kommissarin Cecilia Malmström aus Schweden zu übertragen (“Cencilia”). Und Frau Mamitzsch wundert sich, warum die an die Wand getwitterten Sperrbefürworter immer noch frei ihre Gedanken äußern dürfen. Dabei gibt es doch jene, die laut Kanzlerin Angela Merkel “allergisch” darauf reagieren, wenn der Internetverkehr beschnitten wird. Das haben alle verstanden, das hier ein Machtfaktor ist, gerade im jungen Wählersegment.
Verkannt wird: die Pläne der deutschen Ministerin waren von Anfang an nicht die private Erfindung dieser CDU-Politikerin, die bei mir in Niedersachsen oben auf der Landesliste steht, sondern sie waren europaweit eingesteuert. Frau Dr. von der Leyen hat das Europäische nur aufgegriffen.
Es gab die Debatten, die Programme, usw. zuvor auf europäischer Ebene. Malmström macht gar nichts Neues, ausser Public Affairs, mit Zusatzforderungen aus denen nicht wird, wie Strafrechtsharmonisierung [1]. Darum habe ich mich über die Personalisierung gegen von der Leyen so aufgeregt; dass sogar im Ausland geglaubt wurde, in Deutschland werde speziell etwas in dieser Richtung voran getrieben. Bei uns gab es nur die sehr ausgeprägte öffentliche Debatte, leider nicht immer mit der erforderlichen Tiefe.
Hinter den Sperrplänen stehen Interessen, die das Thema Filterung konzertiert breit gestreut und bearbeitet haben, mit hohem Mitteleinsatz, in allen möglichen politischen Prozessen, und die auch vor der zynischen Strohhalmvariante, nämlich dem Kontext “Kinderschutz”, nicht zurückschrecken. Der naive deutsche Beobachter beginnt bei den Kindern und diskutiert, welches Mittel das Beste sei, ob man Scheußlichkeiten lieber löschen sollte usw. Abscheulicher scheint mir wie die Gegner von elementaren Prinzipien der Telekommunikation wie “mere conduit” Kindesmissbrauch für ihre profanen Lobbyingziele der Saison instrumentalisieren.
Einfach mal nachdenken, weshalb die jetzt vorgeschlagenen Maßnahmen nicht schon seit 15 Jahren umgesetzt sind, wenn das alles so einfach sei, könnte helfen. Doppelt skeptisch sein bei jedem Argument. wo eine Gegenposition moralisch gar nicht zugelassen werden darf.
[1] Auch die Strafrechtsharmonisierung ist hoch umstritten bei den Mitgliedsstaaten, man denke an die Debatten zu Umweltstrafrecht, Euro-Fälschung, und IPRED2, also bedarf es härtester Bandagen um Präzedenzfälle für solch eine Kröte zu schaffen. Es ist gut, dass Strafrechtsharmonisierung umstritten ist, denn Strafrecht sollte sehr konservativ sein, frei von tagespolitischen Launen und Bestrafungsfantasien. Das hat auch die IPRED2 gezeigt, wo bei jeder Abstimmung die Strafgrenzen aus einem Bauchgefühl heraus weiter vervielfacht wurden. Der Malmströmvorschlag wäre nicht viel mehr als ein neuer Kompetenztestballon, mit der die EU-Beamten der Kommissarin die Hörner abstossen, und ggf. den EGH beschäftigen.
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