Das BMWI hat die Stuttgarter Erklärung zum IKT-Gipfel der Bundesregierung veröffentlicht.
Lange genug habe ich in Brüssels und anderswo diesen Jargon der ICT-Berater studiert und gelesen, der so fern vom Menschen ist. “Fantasielos” ist noch der höflichste Kommentar zur Stuttgarter Erklärung, der mir einfällt. Das habe ich doch alles schon einmal gehört. Eine ordnungspolitische Prägung bleibt wie gewohnt außen vor, und damit der Kernbereich gerechtfertigter staatlicher Marktintervention. Um so merkwürdiger, dass der Jargon im Textes mittendrin mehrfach kippt, und zwar beispielsweise mit dieser Passage:
Vertrauen und Sicherheit im Netz festigen
Das Internet ist eines der freiheitlichsten Medien und Kommunikationsmittel überhaupt. Es hat unsere Informations- und Konsumgewohnheiten verändert; es prägt unser soziales Miteinander und es bietet auch für die demokratische Teilhabe enorme Chancen. Genutzt werden können diese Freiheiten aber nur, wenn Bürger und Wirtschaft dem Internet vertrauen. Der Missbrauch von Identitäten und Betrug im Internet, Missbrauch persönlicher Daten, Diebstahl von geschützten Inhalten, die Verbreitung illegaler Inhalte und auch die Nutzung des Internet als „Tatmittel“ für Kriminalität (z.B. Botnetze) gefährden das Vertrauen von Wirtschaft und Bürgern in das Internet. Staat und Wirtschaft wollen zusammenwirken, um die Bedürfnisse der Menschen nach Freiheit, Sicherheit und Vertrauen auch im virtuellen Raum zu erfüllen. Hierzu sind vielfältige Maßnahmen erforderlich.
Es ist immer wieder faszinierend für mich, in einem Text, im sprachlichen Ausdruck die Fratze der “Person” vor mir entstehen zu sehen. Nicht was gesagt wird, sondern wie da gesprochen wird, wie die Erklärer sprechen. All das ist Jargon, es sind Figuren der Sprache, und niemand hat ernstlich darüber reflektiert. Die Überredungsmuster funktionieren, aber die Inhalte sind unlogisch, falsch und dumm. Eine These wie “Genutzt werden können diese Freiheiten aber nur, wenn Bürger und Wirtschaft dem Internet vertrauen.” ist schlichtweg unbelegter Schwachsinn. Es folgen wertende Signalbegriffe “Missbrauch, Betrug, Diebstahl”, die das “Vertrauen gefährden”. Und dieses gefährdete Vertrauen verlange nach “Zusammenwirken” von Staat und Wirtschaft zur Befürfniserfüllung.
Es wundert mich wie die Idee der Staatlichkeit heute degeneriert ist, der Jargon ist verräterisch, wenn es um das normative Subjekt geht, in der Schlussfolgerung:
Der Nationale IT-Gipfel hat eine erfolgreiche Partnerschaft zwischen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft etabliert. Seit dem ersten IT-Gipfel 2006 wurden wesentliche Impulse für den IKT-Standort Deutschland gesetzt und eine Vielzahl konkreter Projekte erfolgreich umgesetzt. Wir werden diese Partnerschaft weiter stärken und dabei die wesentlichen Zukunftsthemen einer vernetzten Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft in den Vordergrund rücken. Es gilt dabei, neue Wachstumsfelder zu erschließen und die Modernisierung der IT in der Verwaltung voranzutreiben. Wir wollen mit der weiteren Zusammenarbeit im IT-Gipfel einen entscheidenden Beitrag zur Umsetzung der IKT-Politik der Bundesregierung in dieser Legislaturperiode leisten. Die Bundesregierung wird daher bis zum Sommer 2010 eine umfassende Strategie zur digitalen Zukunft Deutschlands vorlegen. Wir werden die Zusammenarbeit im Rahmen des IT-Gipfels an die neuen Herausforderungen anpassen. Der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie wird nach dem IT-Gipfel einen Vorschlag vorlegen.
Das Projekt des Liberalismus scheint mir weiterhin im IKT-Bereich der Bundesregierung unverstanden. Das gefährdet unser demokratisches Gemeinwesen. Seien wir paranoid in Fragen der Sprache, denn in der Naivität des Jargons zeigt sich die wahrhaft antiliberale Ideologie.
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