In der linken Zeitung taz äußert sich Constanze Kurz zum Thema ACTA. Mir scheint es sehr wichtig, bei diesem Thema für mehr öffentliche Aufmerksamkeit zu sorgen, möchte trotzdem die groben Aussagen präzisieren:
Wer das vor zehn Jahren berichtet hätte, wäre als Verschwörungstheoretiker abgestempelt worden: Vertreter der Industrieländer verhandeln geheim über einen internationalen Vertrag. Ohne Parlamentsmandat und öffentliche Aufsicht, ohne etwas über Ziel und Inhalt preiszugeben.
So stimmt diese Aussage nicht. Erstens ist Transparenzmangel und Politikenwäsche (“policy laundry”) über die Handelsschiene vollkommen üblich, so merkwürdig das erscheinen mag. Kaum jemanden mit Erfahrungen im Handelsbereich wird daher eine vollkommen berechtigte prozessuale Kritik beeindrucken. Neu ist, dass nicht Drittstaaten sondern die Staatsangehörigen von Industrieländern selbst die Früchte dieses demokratiebedrohenden Missbrauchs von Handelsinstrumenten ernten.
Allein in Brüssel gab zwei “Anhörungen”, an einer habe ich für einen Softwareverband teilgenommen. Die Inhalte sind auch kein Geheimnis, nur der genaue Wortlaut und Stand der Verhandlungen ist nicht bekannt. Ganz klar soll im Internetkapitel die 3-Streiche Regelung enthalten sein, die Internetzugangsdienstleister in die Pflicht nimmt, die Nutzung ihrer Kunden zu überwachen, also weiter das “mere conduit” Prinzip unterminiert.
Des weiteren gab es vor einem Jahr einen etwas unglücklichen Bericht eines rechtskonservativen Italienischen Abgeordneten im Europaparlament G. Susta. Zu diesem Zeitpunkt hatten die meisten Verbände noch keine Positionierung zum Thema, der Bericht fordert u.a. die Offenlegung von entsprechenden Dokumenten aus der Verhandlung. Auch die Industrie war keinesfalls die treibende Kraft. Es gab zahlreiche parlamentarische Anfragen zum Thema ACTA, nur fehlte die breite öffentliche Aufmerksamkeit.
Geht es um einen Geheimplan zur Rettung vor einem Emmerich-Ende der Menschheit? Nein, es ist viel profaner. Mit Acta, dem Anti-Counterfeiting Trade Agreement, soll vorgeblich der Handel mit gefälschten Produkten eingedämmt werden.
Natürlich ist das nur das Etikett, daran glaubt niemand. Gleichwohl geht es bei ACTA rein formal nur um Handel. Denn ein Handelsprozess muss etwas mit Handel zu tun haben. Warum ein Handelsprozess? Diese Frage habe ich den Zuständigen gestellt. Der Grund für einen Handelsprozess sui generis ist, dass alle anderen internationalen Verfahren festgefahren sind. UIm Sinne eines Befürworters dieser Politiken ist es daher nachvollziebar einen weiteren Versuche einer Koalition der Willigen zu unternehmen. Und neben ACTA werden die gleichen Inhalte noch bilateral verhandelt.
Entgegen des Eindrucks von Constanze Kurz ist Transparenzmangel bei Handelsverfahren ganz normal und eine generische Schieflage, die an Brisanz gewinnt, weil nunmehr regulative und legislative Angelegenheiten ihren Weg in Handelsabkommen finden. Der Handelsausschuss hat merkwürdigerweise sich dieses Jahr sogar dafür eingesetzt, dass handelsbezogene Dokumente im Allgemeinen nicht offengelegt werden.
ACTA ist in vielerlei Hinsicht “technisch” interessant, zum Bespiel im Hinblick auf Kompetenzen der Kommission zum Strafrecht, zum Beispiel hinsichtlich der Frage wie man die 3-Streiche Lösung verfassungskonform realisieren kann, im Hinblick auf seine Administration durch die EU. Oder die Verträglichkeit des Schutzes von Geographischen Indikatoren, was von der EU-Seite sehr in diesen Debatten gepusht wird, mit dem Desiderat des Abbaus von Handelshemmnissen in den EU-Verträgen. Geografische Indikatoren sind nämlich solche Handelshemmnisse, vor allem für landwirtschaftliche Güter.
Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit ist gerade jetzt wichtig. Nicht nur hinsichtlich ACTA. Der neue Handelskommissar de Gucht wird sich sicherlich demnächst vom Parlament Fragen stellen lassen müssen.
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